Um die eigene Heimat wirklich zu erfahren, muss man sie oft und zu wechselnden Jahreszeiten besuchen. Das habe ich im März 2019 umgesetzt und bin direkt in den ostpreußischen Winter geraten, der rasch in den zarten ostpreußischen Frühling überging. Mit einer Fuji XH1 und einer XT3, hatte ich wundervolle Momente.
Die Kinder der Prusai schreckt nicht, was andere Menschen instinktiv meiden. Das Wissen um die blutgetränkte Erde. Das Wissen, dass Meter für Meter an den Alleen die Toten zurückblieben. Die Ruinen, die andere Menschen traurig stimmen, sind für die Kinder der Prusai Grüße der Vorfahren. Die Stille der Landschaft die einzige Verbindung zu den eigenen Wurzeln. Wir Kinder der Vertriebenen hatten ja nichts. Keinen Dachboden mit Erinnerungen, keine Großeltern, kein Elternhaus.. Nicht einmal Gräber. In Ostpreußen unterwegs, werden sie lebendig, die ureigenen Spuren. Da ist man nicht verlassen. Mich stimmt es glücklich, dieses Land des Lichts. Der jubilierenden Vögel. Der heiligen Wälder.
Neulich entdeckte ich die Schriftstellerin Katarina Botsky für mich. Sie wurde in Königsberg geboren, schrieb unter anderem für den Simplicissimus. 1945 wurde sie, wie so viele Menschen, bei der Eroberung Königsbergs durch die Sieger umgebracht. In ihrem Buch "Krähendämmerung" fand ich folgende Sätze, die es besser nicht in Worte fassen könnten:
Es gibt stille Winkel und Wälder,
in denen etwas zrückblieb
von alten toten Tagen,
von alten toten Völkern.
Das steht dort und träumt
und winkt mit tausend Händen
und gleitet mit tausend Füßen
und will uns erzählen, erzählen;
aber - die Brücken sind fort.
Katarina Botsky, Krähendämmerung Elsinor Verlag, Coesfeld 2014
Auf alten Wegen brütet der Hauch
gegangenen Lebens,
weben noch immer spukhaft die Töne,
die dort geboren wurden,
und die Bäume lauschen.
Katarina Botsky, "Niemals wieder" aus dem Buch Krähendämmerung
Dort zogen sie, die vor uns waren,
mit ihrem roten Blut, mit ihrem grünen Hoffen.
Ist alles längst schwarz geworden im Sand.
Katarina Botsky, Krähendämmerung
Sie fanden immer nur wie wir
zutiefst die Felsen der Geheimnisse,
mit ihrem schwarzen, schwarzen Tor,
an dem alle schon gebettelt haben,
die über die Erde gingen.
Katarina Botsky, Krähendämmerung
Ewig geistern die Toten
an den Schätzen vererbten Wissens,
die sie uns ins Blut gelegt.,
und manchmal entzünden sich dann
die sanften Laternen der Erinnerung
an den Straßen der Gewesenen
in den Winkeln und Wäldern der Seele.
Alle Zitate aus dem Buch "Krähendämmerung" von Katarina Blotsky, Elsinor Verlag
eine unbedingte Leseempfehlung für alle Liebhaber der besonderen Sprache.
Und so fand auch der "verwehte Same" um mit Franz Werfel zu sprechen, doch noch Wurzeln. Ich fand starke Wurzeln. Wer hätte das erwartet.